10 arbeitsrechtliche Regeln für die Gründung
Das Ziel eines Startups ist häufig ein dynamisches Unternehmen mit einer wachsenden Anzahl von Mitarbeitern. Um dies zu schaffen, sind kostspielige arbeitsrechtliche Fehler zu vermeiden. Gerade im Arbeitsrecht gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Gesetze, über die sich ein Unternehmensgründer einen Überblick verschaffen sollte. Bei Befolgung einiger arbeitsrechtlicher Grundregeln kann eine Menge Geld gespart werden. […]
Das Ziel eines Startups ist häufig ein dynamisches Unternehmen mit einer wachsenden Anzahl von Mitarbeitern. Um dies zu schaffen, sind kostspielige arbeitsrechtliche Fehler zu vermeiden. Gerade im Arbeitsrecht gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Gesetze, über die sich ein Unternehmensgründer einen Überblick verschaffen sollte. Bei Befolgung einiger arbeitsrechtlicher Grundregeln kann eine Menge Geld gespart werden.
Regel 1: Recruiting diskriminierungsfrei
Unnötige Rechtsstreitigkeiten können bereits durch unbedachte Formulierungen in Stellenanzeigen entstehen. Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt vor Diskriminierungen in Bewerbungsverfahren und verbietet u. a. Benachteiligungen aufgrund der Herkunft, des Geschlechts oder des Alters. In der Praxis gibt es immer noch sog. „AGG-Hopper“, die sich auf scheinbar nicht „AGG-saubere“ Stellenanzeigen bewerben, um sodann nach der Stellenabsage Entschädigungsklagen bei den Arbeitsgerichten einzureichen. Misslich sind dabei vor allem Anzeigen, aus denen gefolgert werden könnte, dass z.B. sich nur Kandidaten eines bestimmten Alters bewerben sollen. So ist zuletzt etwa entschieden worden, dass eine Diskriminierungsklage erfolgreich sein kann, wenn der Arbeitgeber sich als „junges dynamisches Team“ darstellt[1]. Hinweise auf eine bestimmte Altersstruktur im Unternehmen sollten deshalb tunlichst vermieden werden.
Regel 2: Sozialversicherung sparen durch Freelancer? Bei dauerhafter Beschäftigung doch besser gleich ein Arbeitsverhältnis
Unternehmensgründer versuchen oft bei Einstellung der ersten Mitarbeiter möglichst kostensensibel zu arbeiten. Häufig wird daran gedacht, zunächst Freelancer zu engagieren, um keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen zu müssen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein freier Mitarbeiter tatsächlich auch wie ein solcher beschäftigt werden muss und deshalb frei in der Wahl seiner Arbeitszeit, seines Arbeitsortes und dem wesentlichen Inhalt seiner Tätigkeit sein muss. Andernfalls droht eine Scheinselbstständigkeit, die zur erheblichen Nachzahlungen bei einer Sozialversicherungsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung führen kann. Soll ein Mitarbeiter deshalb langfristig gebunden werden und in Vollzeit für das Startup tätig sein, wird regelmäßig ein Arbeitsverhältnis vorliegen, so dass ein Arbeitsvertrag abzuschließen ist. In Zweifelsfällen kann es sich empfehlen, ein Statusfeststellungsverfahren („Clearingverfahren“) bei der Deutschen Rentenversicherung einzuleiten.
Regel 3: Immer aktuelles Arbeitsvertragsmuster verwenden
Wird ein Arbeitnehmer eingestellt, sollte dafür ein Arbeitsvertragsmuster verwendet werden, das ständig aktualisiert wird. Vom Arbeitgeber herausgegebene Arbeitsverträge werden wie allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) behandelt, so dass Klauseln, die einen Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen könnten, unwirksam sind (vgl. § 307 Abs. 1 BGB). Hierzu gibt es ständig neue Gerichtsentscheidungen, die einzelne gängige Vertragsklauseln in den letzten Jahren, etwa zu Bindungsklauseln, Freiwilligkeitsvorbehalten, Überstundenabgeltung, Vertragsstrafen oder Ausschlussfristen, für ungültig erklärt haben. Es gilt deshalb, sein Arbeitsvertragsmuster ständig auf dem neuesten Stand zu halten und regelmäßig rechtlich prüfen zu lassen.
Regel 4: Befristung und doch ordentlich kündbar
Um möglichst flexibel zu bleiben, kann es sich für ein Startup empfehlen, mit einem Arbeitnehmer zunächst einen zeitlich befristeten Arbeitsvertrag einzugehen. Nach § 14 Abs. 2a TzBfG besteht eine Sonderregelung für Startups. Demnach ist in den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von vier Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages gestattet. Will sich der Arbeitgeber zusätzlich zu der Befristung die Möglichkeit erhalten, auch vor den zeitlichen Grenzen das Arbeitsverhältnis kündigen, so muss aber eine solche Kündigungsmöglichkeit im Arbeitsvertrag explizit vereinbart sein. Ist in einem befristeten Arbeitsvertrag keine ordentliche Kündigungsmöglichkeit geregelt, so gilt sie gemäß § 15 Abs. 3 TzBfG als ausgeschlossen.
Regel 5: Verlängerung einer Befristung = nur Verlängerung
Soll ein auslaufender befristeter Arbeitsvertrag nochmals verlängert werden, so muss auch diese Verlängerung schriftlich erfolgen. Wichtig ist dabei, dass in dem entsprechenden Vertragsdokument nur die Verlängerung der Vertragslaufzeit und keine weiteren Änderungen des Arbeitsvertrages vorgenommen werden. Nach der Rechtsprechung stellt es keine reine (wirksame) Befristungsverlängerung mehr dar, wenn mit der Änderung der Laufzeit des Vertrages auch andere Vertragsbedingungen geändert werden[2]. Die Folge ist dann ein unbefristetes Vertragsverhältnis. Es ist daher zu vermeiden, dass mit der Änderung der Laufzeit z.B. auch die Tätigkeit oder das Gehalt im selben Dokument angepasst wird.
Regel 6: Mindestlohn für alle Arbeitnehmer
In Deutschland gilt das Mindestlohngesetz (MiLoG). Demnach ist Arbeitnehmern seit dem 1. Januar 2017 ein Mindestlohn in Höhe von EUR 8,84 brutto pro geleisteter Arbeitsstunde zu zahlen. Dies hat auch für Gründer zu gelten, die im Unternehmen als Arbeitnehmer beschäftigt werden. Oftmals verzichten Mitgründer, die am Unternehmen beteiligt sind, zu Beginn auf höhere Lohnansprüche, um das Startup möglichst zu schonen. Werden sie jedoch als Arbeitnehmer und nicht als gesetzliches Vertretungsorgan (Vorstand oder Geschäftsführer) der Gesellschaft beschäftigt, muss ihr Lohn derart berechnet sein, dass der Mindestlohn eingehalten wird. Andernfalls drohen erhebliche Schäden für das Unternehmen, selbst wenn der Mitgründer den Mindestlohn nicht verlangt. Arbeitgeber, die sich nicht an das MiLoG halten, haben mit Geldbußen bis zu EUR 500.000,00 zu rechnen. Zudem droht der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge sowie Nachforderungsansprüche der Sozialversicherungsträger gegenüber dem Arbeitgeber und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer nicht klagt.
Regel 7: Gehaltsanpassung regelmäßig nur einvernehmlich
Allgemein sollte das Gehalt bei Einstellung eines Arbeitnehmers derart berechnet sein, dass mit diesem auf längere Zeit gelebt werden kann. Die Hoffnung, bei einem finanziellen Engpass die Personalkosten zeitnah reduzieren zu können, trügt. Eine Lohnreduzierung wird regelmäßig nur einvernehmlich mit dem Arbeitnehmer geregelt werden können. Nur im absoluten Ausnahmefall gibt es die Möglichkeit, durch eine einseitige Änderungskündigung das Gehalt zu reduzieren. Dafür muss dem Mitarbeiter gekündigt werden und ihm gleichzeitig ein neuer Vertrag mit verändertem Gehalt angeboten werden. Im Streitfall muss der Arbeitgeber aber nachweisen können, dass er ohne die Änderungskündigung die Gehälter nicht mehr zahlen kann[3]. Dies wird er im Regelfall kaum schaffen.
Regel 8: Anzahl zu erwartender Überstunden bezeichnen
In Startups wird viel und hoffentlich gerne gearbeitet. Wird dabei die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit überschritten und werden Überstunden geleistet, drohen indes zusätzliche Zahlungsansprüche der Mitarbeiter. Eine arbeitsvertragliche Klausel, nach der alle Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sein sollen, ist unwirksam. Eine derartige Regelung muss vielmehr klarstellen, auf wie viele Überstunden der Mitarbeiter sich ungefähr einzustellen hat[4]. Genügt die Vertragsregelung diesen Anforderungen nicht, besteht generell ein Anspruch auf Bezahlung der Überstunden. Eine Ausnahme besteht nur bei Besserverdienern, die über der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung (2017 in Westdeutschland: 76.200 Euro brutto jährlich; 68.400 Euro brutto in Ostdeutschland), weil diese nicht noch eine Überstundenvergütung erwarten können[5]. Bei allen anderen Mitarbeitern kann es sich aber empfehlen, eine Vertragsklausel zu wählen, nach welcher z.B. bis zu 20 Überstunden im Monat mit dem Gehalt abgegolten sein sollen und alle darüber hinausgehenden Überstunden durch Freizeit ausgeglichen werden.
Regel 9: Nachvertragliches Wettbewerbsverbot nur bei „echten“ Geheimnisträgern
Know-How-Träger sind oft im Startup–Umfeld heiß umkämpft und können von Wettbewerbern abgeworben werden. Grundsätzlich ist es einem Mitarbeiter nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses auch erlaubt, zu einem Konkurrenten zu wechseln. Ein zeitnaher Wechsel zur Konkurrenz kann nur durch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot im Arbeitsvertrag verhindert werden. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass ein solches nachvertragliches Wettbewerbsverbot lediglich bei Zahlung einer Karenzentschädigung, die mindestens der Hälfte der zuletzt erzielten Vergütung entspricht, verbindlich ist (vgl. § 74 Abs. 2 HGB). Die Zahlung einer solchen Karenzentschädigung an bereits ausgeschiedene Mitarbeiter ist für Startups oft schlicht zu teuer. Auch kann ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zum Hindernis werden, wenn man sich selbst von einem Mitarbeiter trennen möchte. Dieser könnte in einem solchen Fall auf die Zahlung der Karenzentschädigung bestehen, obwohl der Arbeitgeber ihn nicht mehr als „Wettbewerbsgefahr“ erachtet. Es sollte deshalb genau überlegt werden, welche Mitarbeiter für das Unternehmen derart wichtig sind, dass mit ihnen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart werden sollte.
Regel 10: Bei einer Kündigung immer die Form wahren
Allgemein benötigt ein Arbeitgeber für die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nur dann einen besonderen Grund, wenn er mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt (vgl. §§ 1, 23 KSchG). Startups können sich deshalb in den ersten Jahren häufig noch weitgehend problemlos von Mitarbeitern trennen, wenn die Zusammenarbeit nicht klappt und die für den Kündigungsschutz erforderliche Beschäftigtenzahl nicht erreicht wird. Trotzdem kann eine Kündigung schief gehen, falls Formvorschriften nicht eingehalten werden. Generell sollte immer der Vorstand oder der Geschäftsführer die Kündigung unterzeichnen. Bei anderen Unterzeichnern besteht die Gefahr, dass der gekündigte Mitarbeiter die Kündigung nach § 174 BGB zurückweisen kann, wenn mit ihr keine Vollmacht im Original vorgelegt wird. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Kündigung jeweils mit der Originalunterschrift dem gekündigten Arbeitnehmer zugehen muss. Das Gesetz ist insoweit noch „old-school“ – Kündigungen z.B. per E-Mail oder Telefax sind nicht erlaubt.
[1] BAG, Urteil vom 11.08.2016 – 8 AZR 406/14.
[2] Z.B. BAG, Urteil vom 19.02.2003 – 7 AZR 648/01.
[3] Vgl. z.B. BAG, Urteil vom 23.06.2005 – 2 AZR 642/04.
[4] BAG, Urteil vom 01.09. 2010 – 5 AZR 517/09.
[5] BAG, Urteil vom 22. 02.2012- 5 AZR 765/10.
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